KOMM HERR JESUS, SEI UNSER GAST… Zu wirtschaftlicher und ideologischer Ausbeutung Afrikas

Seit Jahrhunderten wird der afrikanische Kontinent von seinen europäischen Nachbarn ausgebeutet. Dabei unterdrücken fremde europäische Kulturträger die afrikanischen Völker und ihre Kulturen aus verschiedenen Gründen: Schon immer galt im christlichen Abendland das arrogante Postulat der eigenen Höherwertigkeit, was unter anderem durch die angebliche, jüdisch-christliche Ebenbildlichkeit des Menschen erklärt wird: 

„Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; Als Abbild Gottes schuf er ihn.“ (Gen 1,27)

Zum anderen sahen die Christen in der Kolonialisierung einen göttlichen Missionsauftrag, den zu erfüllen sie mit großem religiösem und militärischem Eifer verfolgten: 

„Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ (Mat 28,19f.) „Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.“ (Apg 1,8)

Durch die europäische Intervention gerieten Wachstum, Unabhängigkeit und Gleichheit auf dem afrikanischen Kontinent aus dem Gleichgewicht und führten zwangsläufig zu Abhängigkeit und Unterordnung. Im Laufe der Kolonialisierung veränderten sich die europäischen Ansprüche in Afrika und eine wirtschaftliche Ausbeutung stand alsbald an der Spitze der Motivationskette. Dies führte dazu, dass die afrikanischen Kulturen von europäischen Ideen überlagert wurden. Gemeinsinn und Stammeskollektivität wurden von Individualismus und Kapitalismus verdrängt. Die Afrikaner lernten notgedrungen die monetäre Wirtschaft kennen und sie wurden gezwungen, Geld zu erwirtschaften, um auf dem europäisierten Markt bestehen zu können. Aus diesem Grund fehlten den traditionellen Lebens- und Wirtschaftsweisen schon bald die Arbeitskräfte, so dass es zu einer totalen Abhängigkeit von den Europäern kam. Die eigenen Systeme brachen zunehmend zusammen. Das christliche Abendland jedoch betete mit frommem Eifer vor reich gedeckten Tischen: „Komm Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast – Amen!“

Weil weder die eigene Wirtschaft funktionierte noch das Geld für den europäisierten Markt reichte, kam es in der Folge der Kolonialisierung immer wieder zu Hungersnöten. Auch heute, Jahrzehnte nach dem offiziellen Ende der Kolonialherrschaft Europas, dominieren die einstigen Kolonialmächte die afrikanische Wirtschaft in erheblichem Ausmaß! Die Einflussnahme europäischer Regierungen und Märkte auf die wirtschaftliche Produktion in Afrika ist so immens, dass man von einer Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln sprechen kann. Wir Europäer benötigen Produkte und Rohstoffe aus Afrika, um unseren Bedarf an exotischen Waren zu stillen und nehmen den afrikanischen Völkern und Kulturen damit dringend benötigte Ressourcen weg. Der Boden, der für die Produktion eigener Lebensmittel zur Versorgung der Afrikaner benötigt wird, dient aber dem monokulturellen Anbau bestimmter Produkte für den europäischen Markt, s.g. „cash crops“. Der erwirtschaftete Ertrag gelangt aber nicht in die Hände der Bevölkerung, sondern er fließt in die Taschen der häufig autokratisch agierenden Regierungen, die davon oftmals Waffen kaufen, mit denen sie ihre eigene Macht stützen und nicht selten das Volk unterdrücken. Zur Ausbeutung des Kontinents gesellen sich heute also vermehrt kriegerische Konflikte und aus beiden Problemen resultierend - ökologische Katastrophen. Bedenkt man noch, dass das Christentum mit seinen Wertevorstellungen das Bevölkerungswachstum trotz großer Armut in die Höhe getrieben hat und das europäische Familienmodell mit dem Vater an der Spitze in Afrika etabliert hat, dann wird klar, dass die Misere mit allen ihren unmenschlichen Auswirkungen nur langfristig gelöst werden kann. Allerdings läuft der Menschheit die Zeit davon, denn jährlich sterben unzählige Menschen vor allem in den afrikanischen Staaten Zentralafrikanische Republik, Tschad, Demokratische Republik Kongo, Madagaskar und Sudan! In mindestens 25 Ländern Afrikas schätzt die Welthungerhilfe die Situation als ernst bis gravierend ein! Versuche der christlichen Kirchen, etwa durch Misereor und Brot für die Welt sind zumindest ein Schritt in die richtige Richtung, können jedoch den zuvor angerichteten Schaden auch nicht wieder gutmachen. 

Doch gemäß dem jesuanischen Doppelgebot der Liebe muss an dieser Stelle weitergearbeitet werden…und nicht nur durch NGOs, sondern auch durch Staaten, vor allem solchen, die sich selbst als christlich verstehen! 

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„This time for Africa“

 

In unserer internationalisierten Welt und ihrer Vernetzung verstehen Lernende der Mittelstufe sehr wohl, welche Probleme existieren und wer sie hervorgerufen hat. Über die Kenntnisse über fremde Kulturen hinaus, gilt es die Offenheit der Jugendlichen zu nutzen, um ein Problembewusstsein zu entwickeln, das die eigenen kulturellen Fehlleistungen aufarbeiten hilft und Lösungsansätze hervorruft! Historische, gesellschaftliche, politische, kulturelle und religiöse Entwicklungsfaktoren müssen dafür untersucht werden. Wegen der ethischen Komponente bietet sich der Religionsunterricht geradezu an, diese Thematiken hier zu verorten. Nur durch eine emotionalisierte Betroffenheit lassen sich nachhaltig Missstände abbauen. Zugang zu Nahrung und Trinkwasser sind grundlegende Menschenrechte, die zu verteidigen dem christlichen Gebot der Nächstenliebe entspricht! Diese Zugänge zu verbauen, wie in den letzten Jahrhunderten geschehen, ist dagegen unmenschlich…

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Das von der aktuellen Klasse 8Rb noch vor den Sommerferien mit großer Motivation fertiggestellte Hungertischtuch soll einerseits den Blick auf Afrika richten und andererseits die Ausbeutung durch Europa thematisieren. Um die europäische Gier und das wirtschaftliche Ungleichgewicht darzustellen, haben wir uns dazu entschlossen, die europäischen Partyteller auf dem Tischtuch mit Geldscheinen zu bekleben und die Afrikakarte mit den Bildern hungernder Menschen im Zentrum des Reliefs, lediglich spärlich mit Cent- und Penny-Münzen zu bestreuen. Europa macht den Profit, während für Afrika nur Almosen bleiben. „Komm Herr Jesus, sei unser Gast…“

Zu sehen ist das Tuch derzeit in der Ausstellung „Kritisches Sehen“ in den Räumen der KVHB in der Schwachhauser Heerstraße 26/28 in Bremen.

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Text und Fotos: Dr. Joest Leopold

 

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