IN MEMORIAM…1942-1943 DEIN FREUND – DEIN HELFER? Judendeportation von Westerbork nach Auschwitz, organisiert vom Bremer Polizeibataillon 105

Überall im Deutschen Reich wurden mit Beginn des Zweiten Weltkrieges Reserve-Polizeibataillone aufgestellt, die der Diktatur zur Umsetzung besonderer Aufgaben zur Verfügung stehen sollten. In Bremen waren das die Bataillone 105 (September 1939) und 303 (November 1939). Während das Bataillon 303 am Massenmord von Babyn Jar, im September 1941 in Kiew, beteiligt war, diente das Bataillon 105 unter anderem dazu, Judentransporte aus den Niederlanden nach Auschwitz zu organisieren und zu begleiten. Dafür wurde es im Mai 1942 in das besetzte Nachbarland verlegt und als III. Bataillon dem Polizeiregiment 12 und später dann dem Regiment 3 zugeteilt. Der Dienst in den Reserve-Bataillonen war beliebt – operierte man doch vor allem hinter der Front und damit geschützt vor dem militärischen Feind. Die dem Bataillon 105 zugeteilte Aufgabe, niederländische Juden und Jüdinnen in das Zwischenlager Westerbork zu verschleppen und diese dann mit Deportationszügen quer durch das Deutsche Reich nach Auschwitz zu transportieren, galt unter den Kameraden als erstrebenswerte und lukrative Tätigkeit. Während der Transportpausen konnten die hilflosen Gefangenen erniedrigt und beraubt werden. Mit brutalen Schlägen und Drohungen erpresste man von ihnen letzte, versteckte Wertsachen oder quälte sie, wenn sie nichts mehr besaßen, was sie hätten abgeben können. 

Nach dem Krieg wurde in der Regel nicht ermittelt, welche „Aufgaben“ die Polizisten wirklich hatten, und so konnten sie sich fast alle rehabilitieren und sogar ihre Polizeikarriere in der Bundesrepublik Deutschland fortsetzen. Jüngere wissenschaftliche Arbeiten belegen, dass die Bataillonsangehörigen genau wussten, was sie taten und auch über das Schicksal der niederländischen Jüdinnen und Juden in Auschwitz informiert waren. Angesichts der Tatsache, dass die der Vernichtung des Judentums zugeordneten Aufträge freiwillig ausgeübt wurden und „Verweigerer“ keine Bestrafung im eigentlichen Sinne zu befürchten hatten, kann das Verhalten der Reservepolizisten nur als niederträchtig bezeichnet werden.

Auch um einen regionalen Bezug in die nachhaltige Erinnerungsarbeit einzupflegen, haben wir uns entschlossen, die Geschichte dieser Verbrechen aufzuarbeiten. Nachdem die vorangestellte Recherche zu den Taten des Bataillons 105 abgeschlossen war, diskutierte die Lerngruppe wie sie das Thema visualisieren sollte. Um das Geschehen möglichst realistisch anzudeuten, beschloss die Klasse 9Rb im Schuljahr 20022/2023, ein Diorama mit einem verkürzten Deportationszug zu gestalten. Dabei sollte Wert auf würdevolle Distanz gelegt werden, so dass zur Symbolisierung der Gefangenen einheitlich grau gefärbte Spielzeugfiguren benutzt wurden, während die Polizisten in „Uniform“, bewaffnet und mit Wachhunden dargestellt wurden. Gerade auf den eigentlichen Beruf der Täter sollte sich der Blick der Betrachter richten. Schon im Dritten Reich warb die Polizei mit dem noch heute genutzten Slogan: „Dein Freund – dein Helfer!“ Angesichts der unmenschlichen Verbrechen, in die die Polizeieinheiten in Nazi-Deutschland verwickelt waren, stellt sich die berechtigte Frage nach dem Fortbestand dieser Aussage in der Bundesrepublik. An unserem Diorama prangt der Slogan deshalb deutlich sichtbar mit einem Fragezeichen anstelle des Ausrufezeichens. 

Das aufwändig gestaltete Diorama, dessen Gleisbett von Darstellungen der KZ-Bekleidung u.ä. gesäumt wird, ist mit einer professionell gefertigten Sicherheitsglashaube abgedeckt, die ein Vater speziell für uns in seinem Betrieb selbstlos angefertigt und uns geschenkt hat! Für diese großartige Unterstützung können wir kaum angemessen danken… Für den Zug kauften wir mit Unterstützung des Fördervereins Modelle in der Spurweite G, die eine respektable Größe aufweist und im Maßstab zu unseren Figuren passt. Im Diorama bewegt sich der Deportationszug auf Auschwitz zu, was durch eine historische Fotowand an der Stirnseite dargestellt ist.

Die vereinfachte, sehr zurückhaltend wirkende Arbeit fokussiert die Blicke und in deren Folge die Gedanken der Betrachter auf das Unsagbare, das größte Verbrechen in der Menschheitsgeschichte.

Wir präsentieren diese Arbeit derzeit in der Pausenhalle der PUS Hude.

 

Text und Fotos: Dr. Joest Leopold

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