IN MEMORIAM…Tulle, 09.06.1944 Huder Lernende der 9Ga erinnern an Nazi-Kriegsverbrechen in Frankreich
Unmittelbar nach der Landung der Alliierten in der Normandie gelang es französischen Partisanen Teile Südfrankreichs unter ihre Kontrolle zu bringen und die deutsche Wehrmacht aus einigen Ortschaften und Kleinstädten zu verdrängen. So auch in Tulle, im Limousin, wo sich Partisanen und Wehrmacht Gefechte lieferten. Unterstützt von der SS-Panzerdivision „Das Reich“, unter SS-Gruppenführer Lammerding, eroberten die Deutschen Tulle zurück und wählten in einer Art Triage letztlich 99 Männer zwischen 18 und 45 Jahren aus der Einwohnerschaft aus, um sie öffentlich an Laternen und Balkonen in der Stadt zu erhängen. Diesem grausamen und sinnlosen Wüten mussten über 600 französische Kinder und Jugendliche am 09.06.1944 beiwohnen, während die Führungselite der SS in Straßencafés saß, sich vergnügte und laute Musik hörte.
Schon am nächsten Tag zerstörte die SS-Division die Ortschaft Oradour-sur-Glane und tötete auf furchtbare Weise 642 Einwohner – eine Tat, an die wir im letzten Jahr erinnerten!
Die bundesdeutsche Rechtsprechung konnte bezüglich des Massenmordes von Tulle auch noch in den 1950er Jahren kein Kriegsverbrechen erkennen und ordnete das Massaker im Einklang mit Militärwissenschaftlern lediglich als „Kriegsrepressalie“ ein! Nach längerer Auseinandersetzung mit dem Thema sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass hier sehr wohl ein Kriegsverbrechen verübt wurde. Keinem Opfer wurde eine Beteiligung an der Vertreibung der deutschen Truppen nachgewiesen. Die Auswahl war dahingegen nachweislich vollkommen willkürlich und kann nur als barbarischer Racheakt angesehen werden. Unbehelligt von der deutschen Justiz lebten zahlreiche Täter aus der Division „Das Reich“ noch lange und feierten ihre Kriegserinnerungen auf Kameradschaftstreffen bis in die 1980er Jahre.
Angesichts eines neuerlichen Krieges mit Kriegsverbrechen im östlichen Europa, möchten wir mit unserer Erinnerungspräsentation auch das Leid aller Kriegsopfer ins Blickfeld rücken, aber ganz speziell an die französischen Männer denken, die einem wahnhaften Nationalismus zum Opfer fallen mussten.
Das zentrale Gedenkrelief ist als Setzkasten gestaltet, in dem 99 geschwärzte Spielzeugfiguren in Rückansicht gezeigt werden. So wie die Opfer wahllos von ihren Mördern auf die Todesliste „gesetzt“ wurden, so wollten wir sie hier würdigen. Als Grundfarbe für den Kasten haben wir ein blasses Violett gewählt, welches an die Trauer erinnern soll und im christlichen Kontext auch die Buße symbolisiert, die in diesem Fall bis heute leider ausblieb. Die geschwärzten Figuren sollen ebenfalls Trauer ausdrücken und in ihrer scheinbaren „Uniformität“ das Prinzip der Gleichwertigkeit zum Ausdruck bringen – trotzdem bei genauem Hinsehen unterschiedliche Farbnuancen durchschimmern und jeden Einzelnen dadurch individualisieren.
Für unsere Arbeit wurden wir schon zum zweiten Mal selbstlos von der Firma tischlerei-hsk.de unterstützt, die den „Rohling“ des Setzkastens stiftete! Für so viel Engagement möchten wir uns herzlich bedanken!
In de Hoffnung, dass nachwachsende Generationen Krieg und seine Gräuel ablehnen werden, bitten wir um Respekt vor der Installation, die ein beredtes Zeugnis für Demokratie, Völkerverständigung und Frieden sein soll!
Text und Fotos: Dr. Joest Leopold