IN MEMORIAM…BABIJ JAR, 29./30.09.1941
„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland
sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel
er trifft dich genau.“
Nach dem militärischen Fall der Stadt Kiew, kam es zu zahlreichen Explosionen, die von abziehenden Sowjettruppen und Partisanen ausgelöst wurden. Daraufhin planten die deutschen Besetzer eine großangelegte Racheaktion. Am 28. September des Jahres 1941 erging der Befehl, dass alle Menschen jüdischen Glaubens in und bei Kiew sich am folgenden Tag mit ihren Wertsachen und Reisegepäck in der Nähe des Güterbahnhofes zwecks Umsiedlung einzufinden hätten. Im Glauben an die Richtigkeit dieser Aufforderung, versammelten sich dort am Morgen des 29. September weit mehr als 30.000 Juden, um ihre Umsiedlung nach Westen vorzunehmen. Deutsche SS- und Polizeieinheiten trieben sie anschließend zur „Großmütterchen-Schlucht“, der Babij Jar, vor deren Zugängen sie sich entkleiden mussten. Um nicht mitzubekommen, was dort vorging, spielte die SS mittels großer Lautsprecher laute Musik, so dass die Juden zu spät bemerkten, welches Schicksal ihnen wirklich bevorstand.
Polizei und SS führten die entblößten Juden gruppenweise in die Schlucht, in der sie sich mit den Gesichtern den steilen Abhängen zuwenden sollten, um daraufhin von hinten durch MP-Schützen erschossen zu werden. Der infernalische Lärm des MP-Feuers und der Schreie der Opfer wurde weitgehend durch die laute Musik vor der Schlucht gedämpft. Nachdem der Boden der Schlucht mit Leichen übersäht war, erhielten die nächsten Opfer den Befehl, sich auf die unteren Leichen zu legen und den Schuss abzuwarten. Bedingt durch die Unfassbarkeit der Erlebnisse legten sich die meisten Opfer wie paralysiert freiwillig hin, um ermordet zu werden. Das Morden endete erst, als die abendlichen Lichtverhältnisse dieses nicht mehr zuließen und nur so lange, bis am nächsten Tag nach Sonnenaufgang weitergeschossen werden konnte.
Insgesamt starben bei diesem größten deutschen Einzelmassaker im Osten 33.771 Menschen jüdischen Glaubens, vom Säugling bis zum Greis…
Ausführende Organe des Massakers waren zum einen das Sonderkommando 4a der SS-Einsatzgruppe C in der Ukraine und zum anderen das Polizeibataillon 303 aus Bremen. Beide Einheiten „arbeiteten“ in grausamer Präzision zusammen und ermordeten auf diese Weise an zahlreichen Orten die Menschen jüdischen Glaubens wie in Babij Jar. Aufgabe der Einsatzgruppen war es, die kommunistischen Führungsorgane in den eroberten sowjetischen Gebieten zu vernichten und ihre Angehörigen restlos zu ermorden. In einem zweiten Schritt sollte die jüdische Bevölkerung ausgerottet werden. Weil die mit ca. 3000 SS-Angehörigen bestückten Einsatzgruppen nicht ausreichten, um die Mordaktionen durchzuführen, wurden ihnen diverse Polizeibataillone aus dem Deutschen Reich zugeordnet, die als willfährige Helfer dienten. Dabei kamen sowohl Ordnungs- als auch Sicherheitspolizisten zum Einsatz. So gelangte auch das Bremer Bataillon 303 in den Kiewer Raum und „unterstützte“ die SS bei dem Massaker von Babij Jar. Anschließend meldete man den „Vollzug“ nach Berlin und prahlte mit der Effizienz des Einsatzes. Doch schon bald zeigten die Begleitumstände der Massenerschießungen hinter der Ostfront logistische Grenzen auf, so dass man in Weißrussland begann, Massenmorde mit s. g. Gasautos durchzuführen. Auch hierbei ging die „Arbeit“ von SS und Polizei Hand in Hand.
NS-Propagandaplakat zur „Arbeit“ der Polizei
Bearbeiteter Ausschnitt eines der berüchtigtsten Fotos aus dem Russlandfeldzug: Es zeigt einen deutschen Polizisten, der seinen Karabiner auf eine Jüdin mit Kind anlegt, um diese zu töten. Das Foto wurde von polnischen Widerstandskräften aus der deutschen Feldpost abgefangen und gilt bis heute als erschütterndes Dokument deutscher Kriegsgräuel. Die Mitglieder des Bremer Polizeibataillons machten nach dem Krieg ungesühnt Karriere in der bundesdeutschen Polizei und wurden wegen ihrer „Erfahrungen“ überdurchschnittlich oft Dienststellenleiter…
In der Klasse 9Ga der Peter-Ustinov-Schule zu Hude fand im letzten Schuljahr der Vorschlag, alle Namen der Opfer in würdevoller Form aufzuschreiben, schnell Zustimmung und so recherchierten die Lernenden im Internet, bis sie einen Datensatz der Opfernamen auf der Homepage der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem entdeckt hatten. Dieser wurde aufgeteilt, so dass alle Schülerinnen und Schüler ihren Anteil an der Gemeinschaftsarbeit leisten konnten. Fehlende Namen – nicht alle Opfer sind namentlich gelistet – wurden durch Fragezeichen ersetzt. So entstand eine 22 Bögen umfassende Darstellung der Namen, die mittels schlichter schwarzer Holzleisten gerahmt wurde. Die Präsentation nähert sich methodisch Christian Boltanskis Spurensicherung an, bei der die abstrakte Summe der Opfer in ihre Einzelteile zerlegt wird, um jedem Teil gerecht werden zu können.
Zum 79. Jahrestag des schrecklichen Massenmordes präsentierte die Klasse 10Ga ihre Würdigung vor der Presse und einer eigens aus Hamburg angereisten Zeitzeugin: Frau Brix, Jahrgang 1941, verbindet mit dem Massaker Biografisches. Ihr Vater war seinerzeit SS-Arzt bei der Einsatzgruppe C und in Babij Jar an den Mordaktionen beteiligt…
Seit Jahren bereist Frau Brix europaweit Schulen und andere Institutionen, um Aufklärungsarbeit zu leisten und jungen Generationen zu helfen, Empathie und Demokratieverständnis aufzubauen.
Die Aussage Himmlers gibt das unmenschliche Grauen wieder und kann als Mahnung für kommende Generationen dienen, niemals wieder Extremismus und Rassenwahn zuzulassen! Für dieses Ziel setzen wir uns an der Peter-Ustinov-Schule zu Hude mit großem Engagement ein und dafür geben wir den Lernenden demokratisches Handwerkszeug mit auf den Weg, damit sie auch nach ihrer Schullaufbahn ein kritisches Auge auf politische Missstände werfen können und keinen ideologischen Menschenfängern auf den Leim gehen müssen.
„Abend ward, bald kommt die Nacht“ Leopold 2018
Text Fotoarbeiten und Fotos: Dr. Joest Leopold