Kinderarbeit

„Sind so kleine Seelen
Offen und ganz frei
Darf man niemals quälen
Geh'n kaputt dabei“

 

10Ga stellt zum Schulabschluss Triptychon zum Thema Kinderarbeit vor

 

„Sind so kleine Kinder…“(je 200x60cm) Schülerarbeit, Triptychon 2020 

Blickt man nach Indien, so nimmt man eine extrem heterogene Gesellschaft wahr, deren Kulturen sich von Provinz zu Provinz unterscheiden – wie die Idiome, die häufig untereinander nicht verstanden werden. Dieser multikulturelle Staat stellt die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe der Welt und eine rasant wachsende Wirtschaft dazu. Selbstverständlich lässt sich ein solches Land nicht mit Verallgemeinerungen erklären, doch eines scheint über die Grenzen der Bundesstaaten und Religionsgemeinschaften hinaus hohe Akzeptanz zu haben: das Kastenwesen. Dieses aus den hinduistischen Wurzelgründen stammende Gesellschaftssystem, verdammt Menschen qua Geburt zu niederem oder hohem Rang. Wer den unteren Kasten oder gar den Kastenlosen angehört, der hat kaum eine Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben und Wohlstand. Menschen dieser Gruppen leben in andauernder Armut, verkaufen ihre hungernden Kinder an Menschenhändler oder vererben ihre Schulden an die Nachgeborenen, die diese unbarmherzig abarbeiten müssen, so dass Kinder in eine Sklaverei hineingeboren werden, der sie nicht entfliehen können. Während ihrer Sklavenarbeit häufen sie in der Regel weitere Schulden an, da sie niemals genug verdienen, um von ihrer Arbeit leben zu können. So vererben auch sie ihre Schulden an die kommenden Generationen, die in die gleichen unglücklichen Verhältnisse hineingeboren werden. Dieser Teufelskreis kann nicht so leicht durchbrochen werden und wird in der Regel von uns Europäern noch gestützt: Da so gut wie jede Branche in Indien von billiger Kinderarbeit lebt, die weltweiten Handelsketten undurchschaubar verflochten sind und gerade wir Deutsche gerne günstig kaufen, fördern wir die uns eigentlich asozial erscheinende Kinderarbeit in Indien noch. Je mehr wir kaufen, desto mehr wird produziert. Die Produktion wird von Millionen Kindern, die niemals eine Schule besuchen können, unter teils lebensgefährlichen Bedingungen verrichtet. Bauvorschriften und Sicherheitsbestimmungen werden missachtet und in der Regel kaum überprüft. Im Zweifel kauft man sich für Centbeträge Zertifikate, die alles bestätigen, was man sich nur wünscht. Zwar gibt es in Indien seit 1986 ein Gesetz, das Kinderarbeit verbietet, aber das Kastenwesen schützt nur die höher gestellten Gruppen und nicht die Armen und Entrechteten. Versuche, den Sumpf der Kinderarbeit auszutrocknen, scheitern auch an der weit verbreiteten Korruption im Land. Bis hinauf in höchste Regierungsorgane reicht der Arm der Lobbyisten und gerade auf den unteren, ausführenden Ebenen, finden sich unzählige willfährige Helfer, die sich bedenkenlos bestechen lassen, um geplante Razzien gegen Kinderarbeit in Fabriken und Privatgebäuden frühzeitig zu verraten…

Aus diesen Gründen ist es umso wichtiger, dass unabhängige Hilfsorganisationen die Verhältnisse anprangern und internationale Handelspartner darüber informieren, wie ihre Produkte entstehen. Häufig geben sich Zwischenhändler und Endverkäufer mit den genannten Zertifikaten zufrieden, die „beweisen“, dass die jeweiligen Produkte ohne Kinderarbeit entstanden sind. Doch wer die Zertifikate hinterfragt und Nachforschungen betreibt, stellt schnell fest, dass es sich dabei lediglich um gekaufte Gefälligkeitszertifikate handelt. Viele Weiterverkäufer und Abnehmer wollen es aber gar nicht genauer wissen und betrügen mit den gefälschten Zertifikaten die Kunden und natürlich die Kinder, die unter diesem System leiden. Erst wenn der finanzielle und ethisch-moralische Druck aus dem Ausland auf die Produzenten steigt, beginnen sie über Veränderungen in ihren Produktionsketten nachzudenken. Bereits Ende der 1990er Jahre konnte man Erfolge bei der Eindämmung von Kinderarbeit in der Teppichproduktion verzeichnen, doch mit nachlassender Kontrolle und steigender Nachfrage nach günstigen Produkten stieg die Kinderarbeit erneut grenzenlos an!

Heute haben wir gesicherte Informationen über systematische Kinderarbeit z.B. in der Teppich-, der Textil-, der Spielzeug-, der Geschenkartikel-, der Leder- und der Natursteinproduktion. Bei den besonders schweren Arbeiten in Granitsteinbrüchen herrschen in vielen Gegenden mitunter Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius und die erhitzten Stäube dringen den Kindern in die Lungen, so dass sie an Staublungen frühzeitig sterben. Die schleichende Silikose bedeutet für jedes fünfte Kind im Steinbruch den sicheren Tod – weil es den „Arbeitgebern“ egal ist, weil es keine bezahlbaren Schutzvorkehrungen gibt und weil sich niemand die Arztbesuche leisten kann. Ironie des Schicksals: Tonnenweise gelangt der indische Granit auf deutsche Friedhöfe, da aus ihm Grabsteine hergestellt werden…

Die Klasse 10Ga hat sich in diesem Schuljahr intensiv mit Kinderarbeit – vor allem in Indien – beschäftigt und dabei die Teppich-, die Textil- und die Natursteinindustrie fokussiert. Die preisgünstige Ware überschwemmt den deutschen Markt und liegt als Wollteppich im Discounter, genau wie die billige Modebekleidung in den Shops der weltweit operierenden Ketten – egal, welcher Preisklasse - oder die schimmernde Kosmetik im Drogeriemarkt. 

Das Ergebnis dieser Arbeit ist ein Triptychon, das die Kinderarbeit anprangert. An Produkten, die mit Kinderarbeit hergestellt worden sind, klebt Blut. Das Blut zahlloser Kinder, die in der Anonymität der Produktionsstätten fast immer gesichtslos bleiben. Unser Appell richtet sich deshalb an alle  Europäer, ihr Konsumverhalten zu hinterfragen!

„Billig…will ich“, Schülerarbeit, Relief mit Wolle und Collage 2020

 

 

 

Kinderarbeit in der Kosmetikbranche

Die Schminke soll glitzern: „Verleihen sie ihrer Haut den gewissen Schimmer“… eine der vielen Werbungen für glitzerndes Make-up. Aber wodurch kommt das Glitzern überhaupt? Durch das Mineral Mica oder auch Schimmer genannt. Es ist ein natürliches Mineral und es hat ein besonderes Merkmal, was es auch so interessant für Schminkehersteller macht. Das hervortretende Merkmale der Glimmergruppe, eine Gruppe von Mineralien, die Mica genannt werden, ist ihre Schichtstruktur und die sehr schwache Bindung zwischen diesen Schichten. Dadurch können die Glitzerpartikel leicht mit einem Pinsel aufgetragen werden. Aber wie wird es gewonnen? Davon haben viele keinen Schimmer. Viele Kinder schuften dafür in indischen Minen, nach Angaben des Kinderhilfswerks bis zu 20000. In den indischen Bundesstaaten Jharkhand und Bihar kommt ein besonders hochwertiger Glimmer vor. Dort wird rund ein Viertel des weltweiten Micas gewonnen. In beiden indischen Bundesstaaten herrscht große Armut, trotzdem sind 90 Prozent der Micaminen illegal. Aber der Abbau und seine Bedingungen sind schwierig zu kontrollieren. Viele Familien schicken ihre Kinder in die Minen, um zu überleben, um von dem geringen Lohn der Kinder Nahrung zu kaufen. Die Minen befinden sich unter der Erde, die Abbaustollen sind schmal und niedrig und sie sind oft nicht gesichert. Es kommt immer wieder zu Unfällen, bei denen jedes Jahr unzählige Kinder ums Leben kommen! Das Mineral wird vielfältig eingesetzt. Es befindet sich in Lippenstift, Nagellack, Puder oder Rouge, aber auch in vielen Gesichtscremes, egal ob es sich um ein konventionelles Produkt oder um Naturkosmetik handelt, ob es im Supermarkt oder in der Apotheke angeboten wird. Es steckt also auch in Gesichtscremes, die gar nicht glitzern sollen. Außerdem findet man das Mineral auch in der Autoindustrie z.B. bei Autolacken, Reifen oder Bremsbelägen. Auch in elektronischen Geräten und bei der Isolierung von Kabeln wird Mica eingesetzt. Die Kosmetikunternehmen äußerten sich zu dem Thema. Sie sagten, sie würden auf die Produktionsbedingungen achten und Glimmer nur von Herstellern kaufen, wenn diese Kinderarbeit ausschließen könnten. Doch die Lieferketten sind praktisch nicht nachvollziehbar. Einige Firmen engagieren sich vor Ort und unterstützen soziale Projekte. Kinderhilfswerke fordern, dass die Unternehmen gemeinsame Standards vereinbaren, um Kinderarbeit zu stoppen. Zu den Verbrauchern sagt das Hilfswerk, dass sie selbst checken können, ob das Kosmetikprodukt Glimmer enthält oder nicht. Auf der Packung werden die Inhaltsstoffe fast immer gelistet. 

Also:

Verzichtet auf Mica in Kosmetikprodukten und sichert Kinderleben!

WIEBKE JANSSEN 10Ga

 

Kinderarbeit in der Bekleidungsindustrie

 

Immer schneller, immer mehr und immer billiger! Auch die Textilindustrie folgt diesen Gesetzen des grenzenlosen Wettbewerbs. Der einzige Wettbewerbsvorteil vieler Modelabels liegt in niedrigen Arbeits- und Produktionskosten. Aktuell befindet sich die Textilbranche in Ländern wie China, Vietnam, Kambodscha, Indien und Bangladesch. In Ländern wie diesen werden mehr und mehr Fabriken gebaut, in denen Menschen für Löhne arbeiten, die kaum zum Leben reichen - und ohne Sicherheits- oder Umweltauflagen. Es sind oft Frauen und unzählige Kinder, die in diesen Fabriken über zehn Stunden durchgehend arbeiten, um unsere Kleidung zu produzieren. Sie werden in die Fabriken von ihren Familien geschickt, um etwas dazuzuverdienen. Es kommt auch vor, dass sie aufgrund von Versprechungen oder Schulden dort landen und für den Rest ihres Lebens in den Fabriken arbeiten müssen.  Am Tag erhalten die Näherinnen nicht mehr als ein oder zwei Euro für ihre schwere Arbeit, damit der Profit so hoch wie möglich ausfällt. Die meisten Fabriken sind auch noch baufällig und marode, was aber weder die Besitzer, noch die Auftraggeber interessiert. Die Clean Cloth Campaign, eine amerikanische Organisation, untersuchte 1589 Fabriken und fand über hunderttausend Gefahrenquellen; so waren beispielsweise keine Notausgänge vorhanden oder es gab keine Feuerlöscher. Trotz mehrfacher Aufforderung hielten sich die Fabriken nicht an Vereinbarungen über Sanierungen und Sicherheitsregeln. Lediglich sieben Fabriken behoben die bemängelten Sicherheitslücken!  Wegen solcher Zustände kommt es zu eigentlich verhinderbaren Unglücken. 2012, beim Brand der Textilfabrik Ali Enterprises in Karachi (Pakistan), kamen 254 Menschen ums Leben, 55 wurden verletzt. Das Problem: Die Arbeiter waren im Gebäude eingeschlossen und die Fenster mit Gittern versperrt. Dieses Ereignis wurde von den Medien noch nicht sonderlich beachtet. Eben nur ein weiteres Unglück in dieser Welt… Erst 2013, beim Einsturz der Fabrik Rana Plaza in Bangladesch, bei dem 1134 Arbeiterinnen starben und 2500 verletzt wurden, kam es zu deutlichem Interesse und Reaktionen. Die Wände des Gebäudes hatten schon seit Tagen tiefe Risse gehabt, die jedoch niemanden kümmerten; so stürzte das Gebäude ein und begrub die scheinbar wertlosen Menschen unter sich. Muss es immer erst eine Katastrophe geben, damit die Welt einen Missstand bemerkt? Doch das Ganze ist schwieriger, als man auf den ersten Blick denkt. Denn Kontrollen mit Auswirkung durchzuführen ist kaum möglich, da es sich um ein komplexes Geflecht aus Zulieferern, Subunternehmern und kleinen Fabriken handelt.

Außerdem muss man sich auch noch mit den Umweltschäden, die durch die Produktion und das Färben von Stoffen und Kleidung entstehen, beschäftigen: Die giftigen Dämpfe bekommen die Arbeiterinnen von Kindheit an ab, die dadurch schnell erkranken und früh sterben, weil sie keine Schutzkleidung haben.

FENJA LAU 10Ga

„Fashion Victim“, Schülerarbeit, Collage und Nähgarn 2019

 

 

Tödliche Gefahren bei der Lederverarbeitung

 

Es wird bei den verschiedensten Gegenständen benötigt; ob Jacken, Schuhe oder sogar Reitsättel: Leder! Das Material wird häufig unter denselben schlechten Bedingungen bearbeitet wie Textilien, Teppiche usw. Auch in dieser Branche gibt es weder Schutzmaßnahmen noch irgendwelche Versicherungen für den "Arbeitnehmer". Und auch hier wird schon lange Kinderarbeit wieder großgeschrieben. Die Lederbearbeitung ist eine der gefährlichsten und schädlichsten Branchen in den Billigproduktionsländern. Schon kleine Kinder im Alter von 6 Jahren fangen hier an, für einen Hungerlohn zu arbeiten. Leider haben diese Kinder keine Chance zur Schule zu gehen, um etwas Vernünftiges zu lernen. Sowie alle Kinder ab diesem Alter, müssen sie ihr Elternhaus unterstützen oder die Schulden vorangegangener Generationen abarbeiten. Der Arbeitstag beginnt auch schon für die jüngsten unter ihnen sehr früh und endet spät: 14 Stunden sind an der Tagesordnung. Die Bedingungen sind mehr als schlecht, denn die Lederbearbeitung funktioniert hauptsächlich mit ätzenden Chemikalien. Kaum ein Kind hat noch gesunde Füße oder Hände. Alle haben entzündete Schwielen und Blasen an Händen und Füßen. Die ätzenden Substanzen in den Becken, in denen das Leder verarbeitet wird, zerfressen ihnen die Haut. Auch hier gilt, wer nicht zur Arbeit kommt, hat Pech gehabt und muss gehen. Trotz der schlimmen körperlichen Leiden gibt es genügend neue Bewerber. Am schlimmsten sind jedoch die Spätfolgen. Die zerfressenen Lungen, durch den sauren Dampf, machen den Menschen schwer zu schaffen, so dass sie nicht lange arbeiten können. Beschwerden mit den Knochen, durch die Chemikalien und die körperliche Anstrengung hervorgerufen,  lassen alle Kinder früh altern. Wer in dieser Branche arbeitet, wird aber nicht an Jahren alt!

LEA WÖCKEL 10Ga

 

„Blutiger Boden“, Schülerarbeit, Collage 2020

Kinderarbeit in der Teppichindustrie

Trotz des gesetzlichen Verbots müssen unzählige indische Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren an Knüpfstühlen sitzen und Teppiche herstellen, anstatt in der Schule lernen zu können. Hier knüpfen sie Woll- und Orientteppiche aller Art – vor allem für den preisorientierten deutschen Markt. Die meisten günstigen Wollteppiche stammen aus Arbeitsstätten mit versteckter Kinderarbeit!

Manche Kinder arbeiten wenigstens zuhause mit der ganzen Familie, die meisten dagegen in kleinen und großen Fabriken mit mehreren oder zahlreichen Knüpfstühlen, fernab der Heimat und auf sich allein gestellt. In der Regel währt ihre Arbeitszeit ca. 14 Stunden täglich – nicht selten 6 bis 7 Tage die Woche! Wegen der Schuldknechtschaft verdienen sie dabei so gut wie kein Geld…sie arbeiten damit die Schulden ihrer Eltern ab…

Durch die schwere und lange Arbeit tragen die meisten Kinder bleibende Schäden an Körper und Seele davon und regelmäßig sterben sie viel zu früh. Die herumfliegenden Wollfasern und Mikropartikel dringen in die Atemwege ein und verursachen dort hartnäckige Reizungen und Erkrankungen, die den Organismus nachhaltig schädigen und häufigste Todesursachen sind. Finger werden in den beweglichen Teilen der Knüpfstühle eingeklemmt und nicht selten abgerissen, so dass die arbeitenden Kinder für den Rest ihres Lebens gezeichnet sind. Gerät ihr Blut auf die Ware, werden sie oftmals von den Knüpfstuhlbesitzern furchtbar misshandelt. In den schlecht beleuchteten Arbeitsräumen kommt es dazu schon früh zu Sehschäden bis hin zum Sehverlust. Alle aufgezählten Verletzungen und Erkrankungen bedeuten sehr oft das Ende ihrer Tätigkeit als Arbeitssklaven. Leider kann man das nicht als Grund zur Freude nehmen, da arbeitsunfähige Kinder in der Folge zu obdachlosen Bettlern und vor allem kleine Mädchen zu Kinderprostituierten werden, um sich wenigstens ihren bescheidenen Lebensunterhalt „verdienen“ zu können. Man spricht bei diesen Kindern von so genannten „Wegwerfkindern“…

ENNA SCHRÖDER 10Ga  + JOEST LEOPOLD

 

„I don’t want to die for fashion”, Schülerarbeit, Collage 2019

Texte: Dr. Joest Leopold, Wiebke Janssen, Fenja Lau, Enna Schröder, Lea Wöckel

Fotos: Dr. Joest Leopold

Eingangsverse: Bettina Wegner 1978

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