IN MEMORIAM… …Massaker in Lidice…10.06.1942

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Foto: Dr. Joest Leopold

Am 10. Juni des Jahres 1942 erschossen deutsche Polizisten, überwiegend aus Halle an der Saale und SS-Angehörige, 173 Männer der kleinen böhmischen Ortschaft Lidice,  als Vergeltungsmaßnahme für die Ermordung des Reichssicherheitshauptamtsleiters Reinhard Heydrich. Dieser war auf seinem Weg zur Dienststelle in Prag von tschechischen Widerstandskämpfern getötet worden. Heydrich, der bereits 1938 eine führende Funktion bei den Ereignissen der Pogromnacht gegen die deutschen Juden eingenommen hatte, gilt als Organisator der massenhaften Ermordung ziviler Opfer auf dem Vormarsch der Wehrmacht in der damaligen UdSSR. 1941/1942 töteten Heydrichs SS-Einsatzgruppen fast eine Million Frauen und Kinder - vor allem durch Erschießen. Ihm oblag anfangs auch die so genannte Endlösung, also die Planung der Vernichtung aller Juden. Aus diesem Grund organisierte Heydrich die Wannseekonferenz, während der diesbezügliche Fragen erörtert wurden. In Tschechien ließ Heydrich bis Ende 1941 mehr als 6000 Menschen verhaften. Etwa 1300 wurden in das Konzentrationslager Mauthausen verbracht. Von ihnen überlebten gerade 52… Nach Heydrichs Tod kam es in Tschechien zu umfangreichen Gewaltorgien, wie dem Überfall auf die Ortschaft Lidice und zu Massenverhaftungen, denen mehr als 1300 Menschen durch Exekutionen zum Opfer fielen. 

Weil zwei ehemalige Bewohner Lidices in Großbritannien für die tschechische Exilregierung arbeiteten, entschied man sich in führenden NS-Kreisen, an diesem Ort ein Exempel zu statuieren. Weitere Pseudo-Beweise für die angebliche Schuld der Dorfbewohner wurden inszeniert und durch die Reichspropaganda verbreitet. Nicht nur die Männer wurden erschossen, sondern 195 Frauen aus Lidice wurden in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert, wo sie für die deutsche Industrie zur Zwangsarbeit interniert wurden. 52 von ihnen starben. 7 Kinder wurden von der SS zur so genannten Germanisierung ins Deutsche Reich verbracht – 82 weitere Kinder wurden im Konzentrationslager Kulmhof, im heutigen Polen, mit Dieselgeneratoren vergast. 

Quelle: lidice-memorial.cz

Heydrich führte ein herrschaftliches Wohnhaus in Prag, in dessen Garten seine Ehefrau Lina regelmäßig jüdische Zwangsarbeiter auspeitschen und in Konzentrationslager deportieren ließ. Der antisemitischen Witwe des so genannten „Henkers von Prag“ zahlte die Bundesrepublik im Übrigen bis zu ihrem Tod 1985 eine Versorgung als Generalswitwe…

Das Massaker von Lidice blieb der Weltgemeinschaft nicht verborgen und führte zu zahlreichen Solidaritätsbekundungen – vor allem in Amerika. Einige Dörfer und Kleinstädte änderten spontan ihre Ortsnamen in Lidice, um den Terror der Nazis, aber auch die Ortschaft und ihre zahlreichen unschuldigen Einwohner, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. 

 

US Government Printing Office, 1942

Zum fünfundzwanzigsten Jahrestag des Massakers organisierte der West-Berliner Aventgarde-Galerist René Block eine Ausstellung mit dem Titel Hommage á Lidice, die zuerst in Berlin und dann auch in Prag gezeigt wurde. 21 Künstler seiner Galerie, darunter Beuys, Immendorff, Polke und Richter, stifteten Arbeiten zum Aufbau eines Museums Lidice, dessen Grundstein damals gelegt werden sollte. Die Sammlung ging in den Wirren des Prager Frühlings 1968 scheinbar verloren, konnte jedoch 1996 in gutem Zustand im Schloss Nelahozeves in Tschechien wiedergefunden und erneut gezeigt werden. Heute ist sie Teil der nationalen Gedenkstätte in Lidice.

Der von den Nazis vollständig vernichtete Ort Lidice konnte ab 1949 wieder aufgebaut und neu bewohnt werden. Im Laufe der Zeit wurden Mahnmale und Gedenktafeln errichtet, die das Andenken der unschuldigen Opfer ehren. So entstand ab 1989 durch die Künstlerin Marie Uchytilová eine überlebensgroße Bronzegruppe von 82 Kindern, die im Jahre 2000 fertiggestellt werden konnte und an die ermordeten Kinder Lidices erinnert.

Foto: Dr. Joest Leopold

Heute, 77 Jahre nach dem grausamen Massenmord, erinnern wir uns an das Verbrechen, das von Deutschen - im Namen des Deutschen Volkes - verübt wurde und hoffen, auch in der Zukunft ohne Zeitzeugen, dem Vergessen entgegentreten zu können. Dabei greifen wir auf ein intaktes kulturelles Gedächtnis in unserem Land zurück, das wir geschaffen haben, um das deutsche Verbrechen des 20. Jahrhunderts aufzuarbeiten und in der Erinnerung wachzuhalten. Nun gilt es, auch junge Generationen, die keine Schuld daran tragen, in den Prozess der Erinnerungskultur zu integrieren, damit neue Agitatoren keine Chance bekommen, die Demokratie erneut auszuhebeln und Verderben über andere Menschen bringen zu können. Selbstverständlich beginnt diese Arbeit in den Schulen, in denen im Rahmen eines kritischen Religions-, Geschichts- und Politikunterrichts im positiven Sinne Einfluss genommen wird, um die Menschlichkeit zu fördern. 

Foto: Dr. Joest Leopold

Bedenkt man die damalige, grenzenlose Zustimmung der Deutschen zum Massaker von Lidice, so wird die religionspädagogische Forderung nach einer kritischen Beschäftigung mit den Ansichten jener Zeit mehr als verständlich: Im Erinnern liegt die Chance zur Verständigung. Es gilt, Empathie zu fördern und die Menschlichkeit in den Mittelpunkt sämtlicher Kommunikationsformen zu stellen. Damit folgen wir in Hude auch dem Namensgeber der Schule, Peter Ustinov, der als Menschenfreund galt und sich der Völkerverständigung verschrieben hatte! Aus diesen Gründen haben die Lernenden der Klasse 9Ga das Schicksal der Menschen aus Lidice aufgegriffen und eine Erinnerungscollage geschaffen, die als symbolisches Bollwerk gegen das Vergessen gerichtet ist…

Foto: Dr. Joest Leopold, Apokalypse

Die Rose hier, die gelbe

Gab gestern mir der Knab,

heut trag ich sie, dieselbe,

hin auf sein frisches Grab.

(R.M. Rilke, Prag)

Text: Dr. Joest Leopold

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