„Undzer Shtetl brennt“ - REQUIEM FÜR BABYN YAR - dokumentartheater.berlin und Studio11 Kiew

Nach langem Ringen um eine geeignete Aufführungsstätte in der Bundeshauptstadt, spielten am 14.11.2021 die beiden Ensembles des Berliner Dokumentartheaters und des Kiewer Studio11 gemeinsam das Requiem für Babyn Yar in der UFA-Fabrik in Berlin-Tempelhof. Das vom Auswärtigen Amt und dem Zentralrat der Juden finanzierte Projekt gegen das Vergessen dieses Nazi-Massakers an der jüdischen Bevölkerung Kiews, fand mit der deutschen Uraufführung einen würdigen Höhepunkt.

Der Theatersaal des internationalen Kulturzentrums UFA-Fabrik war fast restlos ausgebucht und so sahen knapp 200 Zuschauer – darunter auch der Autor dieses Beitrags - fassungslos das aufwühlende Stück zu einem nicht in Worte zu kleidenden Geschehen menschlicher Niedertracht und Brutalität. 

 

Beide Ensembles ergänzten sich auf eindrucksvolle Weise – das Berliner Theater spielte eher klassisch und erzählerisch, während das Kiewer Studio11 mit modernem Körpereinsatz expressiv-gestisch und pantomimisch das Unsagbare darstellte. Gekonnt wurden Originalfilmszenen eingebettet und der Bühne damit ein erschreckendes Moment des Zeitkolorits beigefügt. Begleitet wurde die Aufführung von jiddischen und ukrainischen Gesängen, die mit einer klagenden Violine verstärkt wurden. Dabei leiteten die Singenden mit dem immer wieder angestimmten „Undzer Shtetl brennt“ (Unsere Stadt brennt) fast schon führend durch das Schauspiel. Das von Mordechai Gebirtig bereits vor dem Krieg komponierte Stück gilt als eines der wichtigsten jiddischen Lieder gegen den Antisemitismus jener Zeit.

 

Zum Abschluss erschienen die Darstellenden einzeln auf der Bühne und präsentierten überlebensgroße Fotografien von Opfern, die zu einer großen Menschenkette zusammengefügt wurden. Diese Fotos stammen im Übrigen aus dem Bremer Staatsarchiv und sind Überbleibsel der privaten Kriegsbeute zahlreicher Bremer Polizisten, die an diesem Massaker maßgeblich beteiligt waren.

Nach etwa 100 Minuten schauspielerischer Höchstleistung verabschiedeten sich die beiden Ensembles und ihre engagierten Regisseurinnen Marina Schubarth (Berlin) und Vlada Belozorenko (Kiew) vom Publikum, das sich mit zehn Minuten standing ovations bedankte!

 

Im Foyer des Theaters mussten alle Zuschauenden an den Namenstafeln der Ermordeten vorbeidefilieren und durch diese Visualisierung die ungeheure Masse an getöteten Menschen wahrnehmen.

Die hier erneut präsentierten Namenstafeln zum Massaker von Babyn Yar stammen aus unserer Schule und wurden von der ehemaligen Klasse 9Ga im Schuljahr 2019/2020 von Hand angefertigt. Sie hingen ein Jahr im Schulgebäude, wurden im September 2021 am Mahnmal der Ermordeten in Kiew gezeigt, niedergelegt und anschließend vom dokumentartheater.berlin für die große Tournee 2022 durch Deutschland, Österreich, die Schweiz, die USA und Israel wieder mitgenommen.

 

Joest Leopold, Ein Licht für Babyn Yar, 2021

 

Text und Fotos: Dr. Joest Leopold

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